März – April 2025: Jere Ikongio

Die dritte Ausschreibung des „Artist and Scientists in Residency“-Programms unter der Headline „Where Technology meets the Arts“ sah eine explizite Beschäftigung mit am ligeti zentrum angewandten Technologien vor. War ursprünglich nur ein Stipendium für den sechswöchigen Zeitraum von März bis Mitte April vorgesehen, so ließ sich das interdisziplinäre Auswahlkommittee schließlich von nicht nur einer, sondern zwei Bewerbungen überzeugen und gab ein zweites Stipendium frei.
Die dritte Ausschreibung des „Artist and Scientists in Residency“-Programms unter der Headline „Where Technology meets the Arts“ sah eine explizite Beschäftigung mit am ligeti zentrum angewandten Technologien vor. War ursprünglich nur ein Stipendium für den sechswöchigen Zeitraum von März bis Mitte April vorgesehen, so ließ sich das interdisziplinäre Auswahlkommittee schließlich von nicht nur einer, sondern zwei Bewerbungen überzeugen und gab ein zweites Stipendium frei.
Jere Ikongios Proposal „Sonic Fabrics — Lagos to Hamburg Networks“ setzte sich nicht nur aufgrund des angedachten partizipativen Einsatzes des record-o-mat von Joana Naomi Welteke und Nadja Rix sondern auch der Thematisierung der kolonialen Geschichte Harburgs gegenüber anderen Bewerber:innen durch.
Wie auch Moisés Horta Valenzela setzte Jere Ikongio ein individuelles partizipatives Format um. Am 17. April 2025 feierte die dritte Residency mit einer zweigliedrigen Abendveranstaltung „Interweaving Borderlands“, im Rahmen dessen die Residents ihre Arbeiten präsentierten, schließlich ihren Abschluss.


Jere Ikongio
Jere Ikongio ist ein in Lagos und Berlin lebender Künstler, dessen Arbeit neue Medien, Performance und immersive Kunst kombiniert, um Infrastruktur, Identität und marginalisierte Geschichten zu beleuchten. Seine interdisziplinären Installationen rekontextualisieren Archive, um interaktive Erzählungen über die sozio-politische Realität von Städten, insbesondere Lagos und Berlin, zu schaffen. In seiner Arbeit, die die Grenzen zwischen physischen und digitalen Räumen verwischt, kombiniert er XR, Performance und Erinnerung, um sich kritisch mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinanderzusetzen.
Weitere Informationen über Jere und seine Arbeit hier.
Die Technologie:
der record-o-mat
Der record-o-mat ist eine interaktive Klanginstallation, die einen Algorithmus mit einem Aufnahme- und Abspielgerät verbindet. Mithilfe einer eigens entwickelten Software fragmentiert der record-o-mat Tonaufnahmen und setzt sie in zufälliger Reihenfolge wieder zusammen. Entwickelt wurde der record-o-mat von Joana Naomi Welteke und Nadja Rix. Die Installation befindet sich entweder in einer tragbaren Box oder in einer umgestalteten Telefonzelle und lädt Passant:innen zur Teilhabe ein. So entsteht ein stetig wachsendes Archiv aus Stimmen, Erinnerungen und Erzählungen.
Weitere Informationen zum record-o-mat hier.
Das Projekt: Sonic Fabrics:
Lagos to Hamburg Networks
„Sonic Fabrics“ untersucht anhand der historischen Handelsverbindungen von „Dutch Wax Fabrics“ die klanglichen, visuellen und kulturellen Überschneidungen zwischen Lagos (Nigeria) und Hamburg.
Das Projekt setzt sich kritisch mit der Rolle Hamburgs während der Kolonialzeit auseinander, als die Stadt ein zentraler Knotenpunkt in den Handelsnetzwerken war, die Westeuropa mit Westafrika verbanden. Um 1880 wurde fast ein Drittel des gesamten Überseehandels nach Westafrika im Hamburger Hafen umgeschlagen, darunter auch die sogenannten „Dutch Wax Fabrics“. Ursprünglich stammte die hierbei angewandte Technik, Textilien zu färben, aus Indonesien und gelangte über Händler der East India Trading Company nach Europa. Die traditionellen Muster wurden kopiert, industriell vervielfältigt und schließlich von den Niederlanden aus insbesondere an die Goldküste (das heutige Ghana) und nach Benin (das heutige Nigeria) exportiert. Auch das Hamburger Unternehmen Bödecker & Meyer entwarf Stoffmuster für den Export.
Gloriatunnel wird zur
partizipativen Bühne
Im Rahmen der SuedLese and am 9. April 2025 fand im Gloriatunnel am Bahnhof Harburg eine partizipatorische Installation und Performance statt. Direkt vor dem Kulturwohnzimmer e.V. entstand ein öffentlicher Begegnungsraum, in dem Passant:innen eingeladen waren, sich mit Ihrer Stimme aktiv an der multimedialen Darbietung zu beteiligen.
Zentraler Bestandteil war der record-o-mat. Ergänzt wurde die Installation durch koppelbare Lautsprecher, entwickelt von Jacob Sello (InnoLab), die eine flexible Bespielung des öffentlichen Raums ermöglichten.
Jere Ikongio griff die Thematik des Projekts nicht nur inhaltlich, sondern auch körperlich auf: Klangliche Impulse verband er mit einer physischen Auseinandersetzung mit Raum, Erinnerung und kolonialer Handelsgeschichte mit dem Resultat einer Verschmelzung von künstlerischer Praxis, Technologie und spontaner Beteiligung.


Interweaving Borderlands
Den Abschluss des Residenzprogramms bildete die Veranstaltung „Interweaving Borderlands“. Zunächst stellte Moisés Horta Valenzuela seine während des sechswöchigen Aufenthalts am ligeti zentrum entwickelte Spatial-Audio-Komposition vor. Im Anschluss präsentierte Jere Ikongio eine multimediale Performance, in der sich historische Bezüge, Klang und visuelle Elemente miteinander verbanden. Dutch Wax Fabrics, die sowohl im Raum ausgebreitet als auch vor den Fenstern arrangiert waren, bildeten vor der Kulisse Harburgs eine sichtbare Verbindung zwischen Hamburg und Lagos.
Ikongio kombinierte verschiedene Klangerzeuger mit dem record-o-mat, wobei er eigene Klänge mit historischen und aktuellen Tonaufnahmen verwob, deren Herkunft sich nicht immer eindeutig bestimmen ließ. Die Projektion von Archivbildern aus Harburg und aktuellen Aufnahmen aus Nigeria ergänzte die Klanglandschaft und unterstrich die thematische Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart. In einem performativen Teil setzte sich Ikongio mit kolonialer Geschichte, Erinnerung und Öffentlichkeit auseinander. Das Publikum war eingeladen, selbst in den record-o-mat zu sprechen, wodurch ein vielschichtiges Zusammenspiel von künstlerischer Praxis, Technologie und Partizipation entstand.